Zum Neuen Jahr 2021

Wenn Bäume gefällt werden, lässt sich an den Jahresringen erkennen, welche Zeiten sie erlebt haben. Es sind keine mit Zirkel gezeichneten, gleichmäßig runden Jahresringe, die sich Jahr für Jahr aneinander gereiht haben. Jeder Ring hat seine eigene Form: oft holprig und wackelig, weit entfernt vom kreisförmig konzentrischen Ideal, ungleiche Abstände von Ring zu Ring. Die größeren Abstände erzählen von warmen, feuchten Sommern, die engeren von den dürren Jahren.

Nun neigt sich das Jahr 2020 seinem Ende entgegen. So wie bei einem Baum jedes Jahr ein neuer Jahresring dazukommt, so ist auch unser Leben um ein wirklich sehr spezielles Jahr reicher geworden.
Rilke hat es in seinem Gedicht mal so zusammengefasst:

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge zieh ́n.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn. 

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang; 
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke,
ein Sturm oder ein großer Gesang. 

Am Anfang des Jahres war es noch offen, wie das Jahr für jeden von uns werden würde.
Aber wenn wir heute unseren „Jahresring 2020“ zeichnen müssten? Wie würde er aussehen?
Viele von uns würden sicher sagen, dass dieser Jahresring sehr dünn und von Kummer, Sorgen und Krankheit gezeichnet ist.
Aber ist das wirklich ausschließlich so? Wäre es nicht interessant, diesen Jahresring doch mal genauer zu betrachten?
Ist er schmal oder vielleicht doch breit? Ist der Ring gleichmäßig gerundet oder ist er mal dicker, mal dünner?
Gibt es schmerzhafte Einkerbungen oder hat jemand gar eine frohe Botschaft in die Rinde geritzt?
Was unter­schei­det den Jahresring 2020 von den älteren?

Wir laden Sie ein, sich die Zeit zu nehmen und sich auf diesen Rückblick einzulassen, um fest­zu­stellen, dass:

  • wir danken können für alles, was wir an Schönem erlebt haben und was in diesem Jahr gewachsen ist
  • es gut tut, Gott zu klagen, was wir in diesem Jahr an Schwerem und an Einschrän­kun­gen erfahren haben
  • wir Belastendes zurücklassen können und den Mut finden, um den Blick hoffnungsvoll auf das zu wenden, was vor uns liegt: das Neue Jahr 2021 und einen neuen Jahresring

Und falls uns der Mut und die Hoffnung dazu fehlen, dann lassen Sie uns doch mit den Worten von Andreas Braun, dem Diakon der Jugendkirche Rostock, beten:

Gebet zum Jahreswechsel

Beate Harder