Pfingsten

Sicher haben Sie sich gefragt, was das Bild von Sekt hier auf unserer Homepage mit Pfingsten zu tun hat. Eigentlich nichts, aber wenn man der Pfingstvision der Buchautorin Susanne Niemeyer folgen will, dann vielleicht doch:

„In jenen Tagen geschah es, dass sie hinter verschlossenen Türen saßen und ihre Gesichter grau geworden waren, und ihre Worte drehten sich im Kreis. Gremien wurden berufen und Ausschüsse gebildet und Antworten wurden an Fach-leute delegiert und der Kleinmut hatte sich breitgemacht.
Da wundert sich Gott: „Welche Fachleute denn?
Die Fachleute, das seid doch ihr. Habe ich denn einige höhergestellt als andere? Habe ich meine Worte exklusiv verteilt? Ich habe sie in euren Mund gelegt und die Begeisterung in euer Herz.“ „Aber wir“, sagen sie, „wir wissen doch auch nicht. Einer glaubt so, die andere so. Wir sind so verschieden, wir können uns nicht einigen. Wir haben siebenundneunzig Punkte auf der Tagesordnung, und wenn wir fertig sind, dann fangen wir wieder von vorn an, weil niemand uns versteht!“
Da öffnet Gott die Türen und reißt die Fenster auf, dass Wind in die Sache kommt und die Angst fortpustet und Friederike fühlt sich plötzlich beschwingt wie nach einer halben Flasche Champagner. Der Herr Bischof spürt ein Beben in seinem Herzen und ist so erleichtert, weil er mit seiner Liebe nicht mehr hinterm Berg halten muss. Egon Hinterwald wundert sich, dass man alles auch ganz anders sehen kann, als er es tut, aber noch mehr wundert ihn, dass ihn das gar nicht mehr ängstigt. Hilde aus dem Frauenkreis lernt von Janne, was „queer“ bedeutet und beide spüren eine Weite im Kopf, als hätten sie nach Jahren den Dachboden entrümpelt. Worte wie Sehnsucht, Großmut, Gnade leuchten auf. Nichts davon lässt sich in Stein meißeln. Zwischen den alten Mauern wird es eng. Gott ruft: „Wer hat gesagt, dass Ihr Mauern braucht?“
Ein Hauch genügt, sie zum Einsturz zu bringen und Himmel breitet sich aus, schillernd und schön. Gemeinsam treten sie ins Freie, Friederike und der Herr Bischof, Hilde und Egon. Petrus und Phoebe sind dabei, Johanna und Jakobus. Herr Windli bringt seine Maria mit und Janne schwenkt eine Regenbogenflagge. Mireile singt ein gregorianisches Lied, nebenan setzen Technoklänge ein – und es ergänzt sich erstaunlich gut. Dazwischen schwebt Gott, überall zugleich. Alle haben sie gesehen, haben ihn gehört, haben es gespürt. Tausend Geschichten werden zu einer. Niemand will Recht haben. Macht ist ein vergessenes Wort, denn alle verstehen, was stark macht: Miteinander reden, voneinander lernen, aufeinander hören. Eine macht den anderen groß. Niemand will der Größte sein. Und alle Welt beginnt zu staunen über jene, die leicht wirken und deren Worte nicht erschlagen, sondern prickeln wie Champagner oder weiße Johannisbeerschorle.“

Und genau deshalb wünsche ich uns allen ein gesegnetes und prickelndes Pfingstfest!

Beate Harder