Impulse in Zeiten von Corona „zusammen&allein“

Sanibona – wie bitte?

Ja, Sanibona. Das ist Zulu, eine afrikanische Sprache. Es ist ein Begrüßungswort „Guten Tag“ oder „Guten Morgen“. Genauer gesagt heißt es übersetzt: „Ich sehe Dich!“
Das gefällt mir sehr als Begrüßung. Gerade in dieser Coronazeit jetzt, in der wir bei jeder Begegnung auf Abstand achten, um einander nicht zu nahe zu kommen, das heißt ja:
- niemandem mehr die Hand reichen
- die uns lieben Menschen nicht mehr umarmen
- dem anderen nicht mehr zeigen, dass ich ihn mag
- oder auch in unseren Gottesdiensten auf das Händereichen zum Friedensgruß zu verzichten.

Sanibona bedeutet noch mehr als ein rein oberflächliches Sehen. Es heißt „ich nehme Dich wahr". Ich nehme mir Zeit, dir in die Augen zu schauen und dich wirklich zu sehen, dich als Menschen in den Blick zu nehmen. „Ich sehe dich“ ist wertfrei, ist offen, ist eine Einladung, mehr von sich zu zeigen.
Das ist schön. Weil es Respekt ausdrückt, den Menschen Würde gibt. Wenn ich jemanden anschaue, mir einen kurzen Moment Zeit für ihn nehme. Natürlich kann ich das nicht immer und bei allen Menschen ausführlich oder intensiv tun. Aber ich kann es immer wieder ganz bewusst tun. An der Kasse im Supermarkt: Die Frau sehen, wahrnehmen und nicht wie einen Zahlautomaten behandeln. Den anderen nicht nur in seiner Funktion sehen, sondern als Menschen, der auch Sorgen und Nöte hat. Die alte Nachbarin nicht in mein Wahrnehmungsbild einordnen wie einen Baum, sondern sie sehen, sie wahrnehmen. Immer mal wieder bei ihr stehen bleiben und ein paar freundliche Worte mit ihr wechseln.
Das gelingt mir natürlich auch nicht immer. Aber eine gute Voraussetzung dafür ist, wenn ich gut drauf bin. Also gut geschlafen habe, mich an Leib und Seele wohl fühle und mich auf ein paar Sachen freuen kann, die schön sind. Dann kann ich auch die Menschen ganz anders wahrnehmen. Dann „seh" ich sie. Das tut ihnen gut, das spür ich immer wieder. Es tut aber auch mir gut.
Und so wird eine der klassischen Lebensregeln des christlichen Glaubens für mich immer wieder konkret: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.
Also: Schau, dass es Dir gut geht an Leib und Seele. Sorge Dich auch um Dich und nicht nur um die anderen. Hege Deinen Leib und pflege Deine Seele. Dann tut das auch den anderen wohl. Sanibona!
Der so Gesehene antwortet mit „Sikhona“ – das bedeutet: „Weil du mich siehst, bin ich da!“

Vielleicht könnte ja eine solche Begrüßung unsere Begegnungen verändern! Versuchen wir es doch einmal!

(nach: Peter Kottlorz – SWR Morgengedanken)

Alles wirkliche Leben ist Begegnung

(02.07.2020)