Hungertuch 2019/2020 von Uwe Appold gestaltet

"Mensch, wo bist du?"

In der Mitte des Hungertuches sehen wir ein Haus.
Schützend geschlossen und doch offen.
Porta patet, cor magis 
Das Tor steht offen –  das Herz noch mehr.

So begrüßen Zisterziensermönche die Menschen,
die an ihre Pforte klopfen. Mein „zu Hause“ ist mir wichtig.
Es ist der Ort der Geborgenheit, den ich mit meinen Liebsten teile. Es ist gleichzeitig der Ort, an dem ich die Türe öffnen darf, um Freundschaft und Gastfreundschaft zu leben. Das „zu Hause“ ist auch der Ort, von dem aus ich in die Welt gehe und anderen Menschen begegnen darf.
Erst wenn es den schützenden Raum und die Offenheit gibt, gibt es wahre Lebendigkeit - geteiltes Leben. Das Haus zu öffnen, ist riskant: Letztlich ist unsicher, wer hineinkommt, was gemeinsam passiert. Es ist unsicher, wohin ich gehe und was mir außer Haus widerfährt.
Das Tor steht offen, das Herz noch mehr!
Die Herzenstüre zu öffnen, ist sicher noch riskanter als das Öffnen der Haustüre!
Die Begegnung mit anderen trifft mich noch tiefer, unmittelbarer, noch intimer. Die herzliche Begegnung mit anderen könnte dazu führen, dass ich enttäuscht werde, dass ich mich zu Veränderung veranlasst sehe oder dass ich mein Bild von anderen verändern muss.
Wer einmal zu meinem Herzen Zugang bekam, hinterlässt dort Spuren, ein Leben lang. Ich behalte schöne oder traurige Erinnerungen, auch wenn der andere wieder auszog – aus meinem Herzen. Gleichzeitig ist das Öffnen des Herzens die einzige Chance für wahre Begegnung, für Freundschaft, für Liebe – für jede Art der echten und lebendigen Beziehung.
Ich glaube, wir sollten es immer wieder riskieren:
Porta patet – cor magis!                                      

Norbert Pellens