"Der gute Hirte"

Wer kennt ihn nicht, den ersten Vers im Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen….“ Seit unserer Kindheit zeichnet dieser Psalm ein Bild von Gott, der sich – wie ein Hirte – um uns Menschen in all unseren unterschiedlichen Belangen und Bedürfnissen des Lebens kümmert. Und doch ist es gar nicht so leicht, in Zeiten von Corona diesen Psalm widerspruchslos zu beten. So erging es offenbar auch Pfarrerin Doris Joachim aus Frankfurt. Sie formuliert es in ihrem Gebet so:

„Auch wenn ich gehe im finsteren Tal“
„Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.“

Es ist, mein Gott, das muss ich sagen,
schwer zu glauben: „Mir wird nichts fehlen?“
Das betet sich ganz nett in guten Zeiten.
Doch jetzt sind wir im finsteren Tal.
Wo’s dunkel ist und kalt.
Und du bist unser Hirte?
Und weidest uns auf grüner Aue?

Siehst du, Gott, wie es uns geht?
Wir haben Angst.
Wir haben Sehnsucht.
Der Spuk soll bald ein Ende haben.
Wir wollen auf grünen Wiesen liegen.
Dicht an dicht mit unseren Lieben.
Ohne Angst und ohne Misstrauen.
So hast du uns gemacht.
Zu Menschen, die die Nähe brauchen.
Körper, die Gemeinschaft suchen.
Doch das Tal ist lang.

Bist du, mein Gott, denn wirklich da?
So wie die Alten vor Jahrtausenden gebetet haben.
In diesem Psalm, der mir vertraut ist.
Von Kindheit an.
„Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir.“

Ich fürchte mich aber.
Siehst du das, Gott?
Die ganze Menschheit ist in Angst.

Und doch, DU HIRTE, tröstet das.
Diese Worte – so oft wiederholt.
Sie malen ein Bild in mir.
HOFFNUNG erblüht.
Ich weiß nicht, wie.
„Du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich“.
Sie lassen mich aufatmen.
Meine Lebendigkeit kehrt zurück.
Mitten im finstern Tal.
Das trägt mich, wenn ich Abstand ertragen muss.
Das hilft mir, wenn ich Masken trage.
Denn du siehst mich. Du siehst uns an.
Voll Liebe und Güte bist du uns nahe.
Und es gibt ZUKUNFT.
Denn:
„Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang
und heimkehren werde ich ins Haus des Herrn für lange Zeiten.“

Und am Ende kann ich den Psalm doch wieder beten, weil der gute Hirte:

  • für die innere Quelle steht, aus der ich Hoffnung und Trost und Kraft schöpfen kann
  • mich daran erinnert, dass ich nicht alleine durch die Dunkelheit gehen muss
  • meine Anliegen, Sorgen und Bitten ernst nimmt
  • meiner Angst die alles bestimmende Macht nimmt

Psalm 23

Predigt zum 4. Sonntag im Jahreskreis - Wortgottesfeier (Lucjan Kurda, Norbert Pellens, Ruth Wolf)